Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 9

Mittwoch, 13. April 2016

Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 9 - Mercedes-Benz L 3500 (Baujahre 1950 – 1955), LF 15 und TLF 15 mit Metz-Aufbauten von 1953 bis 1955

Mit dem 1949 vorgestellten Dieselmotor OM 312 hatten die Konstrukteure der Daimler-Benz AG auf Anhieb einen Volltreffer gelandet. Auch wenn er sich im Mercedes-Benz L 3250 bzw. L 3500 hervorragend verkaufen ließ, arbeitete die Motorenabteilung an stetigen Verbesserungen. Damit war vor allem mehr Leistung gemeint. Als erste Aufwertung gelang es 1953, statt 90 PS bei 2.800 U/min jetzt alternativ auch 100 PS bei 3.000 U/min zu bieten. Allerdings blieb diese Leistungssteigerung vorerst ausschließlich den Feuerwehren vorbehalten, die in der Regel auch diese Option nutzten. Dabei ging es weniger um höhere Endgeschwindigkeiten als um bessere Beschleunigungswerte, was auf der Fahrt zum Einsatz viel wichtiger war und ist. Für die gewerbliche Wirtschaft wurde der stärkere Motor erst 1956 zum Standard.

1954 wurde dann mit dem OM 312 A ein neuer Motor angeboten, der weiterhin aus den alten Formen kam. Das zusätzliche A wies auf die Aufladung hin. Bei unverändert 4,6 Litern Hubraum konnte der Turbolader jetzt 115 PS aus der Maschine hervorlocken. Erreicht wurde dies mit geänderten Steuerzeiten, die zu weniger Ventilüberschneidungen führten, einem geringeren Verdichtungsverhältnis und einem neuen Brennertyp in der Vorkammer. „Bezahlt“ wurde diese Leistungssteigerung dort allerdings mit einer massiven Wärmeentwicklung. Dadurch verschlissen die Lader sehr schnell und mussten häufig gewechselt werden. Die Fuhrunternehmer der 1950er Jahre standen aufgeladenen Motoren gerade deswegen sehr skeptisch gegenüber, höhere Kosten und häufige Wartungsausfälle machten diese Technologie für sie wirtschaftlich uninteressant.

Ganz konsequent bot die Daimler-Benz AG daher die aufgeladenen Motoren wieder nur den Feuerwehren an. Die höheren Wartungskosten waren hier wegen der ohnehin geringen Fahrleistungen der Feuerwehrfahrzeuge das geringere Problem. Auf Wunsch wurde natürlich auch der normale Motor geliefert.

Mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht im Mai 1945 hatten die alliierten Siegermächte die Herrschaft über Deutschland übernommen und bestimmten in den ersten Nachkriegsjahren große Bereiche der Wirtschaft und des Lebens. Eines ihrer Vorhaben war die Zerschlagung des deutschen Militärpotentials gewesen, wozu sie etliche Direktiven erlassen hatten. Unter anderem war es deutschen Firmen verboten, LKW-Motoren mit mehr als 150 PS zu konstruieren. Damit konnten sich die Hersteller und Kunden anfangs noch weitgehend abfinden, problematischer waren die Verbote, Dreiachser, Sattelschlepper und Allradfahrzeuge zu bauen. Sehr schnell nach Gründung der Bundesrepublik im Mai 1949 bemühten sich Politiker und Interessenverbände um eine Aufhebung dieser Bestimmung. Vor allem die Bauwirtschaft verlangte nach geländegängigen LKW, die Hersteller hatten auch die Exportchancen im Blick.

Offenbar hatten diese Bemühungen Erfolg, denn bereits 1950 begann man bei Daimler-Benz im LKW-Werk Mannheim mit der Entwicklung eines Allradfahrgestells auf Basis des L 3500. Wie schon vor dem Krieg erhielt der Vierradantrieb in der Fahrgestellbenennung den Kennbuchstaben A, jedoch wurde er nicht mehr nachgestellt, sondern rutschte an die zweite Stelle der führenden Buchstaben. LA 3500 hieß es also jetzt, beim Kipper wurde LAK verwendet, Feuerwehrfahrgestelle begannen für die nächsten zwei Dutzend Jahre mit LAF.

Ziel der Konstrukteure war es gewesen, möglichst viele Komponenten der Straßenversion auch beim Allrader zu verwenden. Damit sollten zunächst Entwicklungs- und Produktionskosten gespart werden. Außerdem erhoffte man dadurch zurecht für Händlern und Kunden Vorteile bei der Ersatzteilwirtschaft und bei Reparaturen. So waren z.B. Motor, Kühler, Kupplung, Wechselgetriebe, Hinterachse, Bremsen und Fahrerhaus identisch.

Außerdem wurde beim Eigengewicht geknausert, zu präsent war noch die verheerende „Niederlage“ beim Mercedes-Benz L 3000 der Kriegsjahre. Das Allradfahrgestell war beim Kipper nur 75 kg. schwerer als die Straßenversion, damit ergab sich eine sehr günstige Bodenpressung. Für guten Bodenkontakt der Vorderräder und eine große Verwindungsfähigkeit sorgten außerhalb des Rahmens angeordnete sehr lange Federn.

Vorne und hinten saß jeweils ein Differential an den Achsen, durch ein Zweigang-Verteilergetriebe konnten wahlweise beide Achsen oder nur die hintere angetrieben werden. Auf ein drittes Differential zwischen den Achsen war bewusst verzichtet worden, damit auch beim Durchrutschen der Räder einer Achse die andere noch für Vortrieb sorgen konnte. Differentialsperren waren in der früher 1950er Jahren noch nicht üblich. Nebenbei hatte man so Kosten und Gewicht gespart. Tests im Gelände zeigten hervorragende Fahreigenschaften. Im Straßengang bewältigten voll beladene Kipper 27 % Steigung, mit zugeschaltetem Vorderradantrieb waren es gar 43 %.

Erstmals vorgestellt wurde der LA 3500 auf der IAA 1951, die Serienfertigung begann im August 1951. Bis zur Produktionseinstellung im Jahre 1961 wurden etwa 3000 Allradfahrzeuge verkauft, von der Straßenversion L 3500 bzw. anfangs L 3250 verließen ungefähr 52.000 Exemplare die Werkhallen in Mannheim.

Für Feuerwehrfahrzeuge standen nun vier möglich Fahrgestelle zur Verfügung, nämlich Straßen- und Allradversionen, jeweils mit 3.600 oder 4.200 mm Radstand. Bei den Löschgruppenfahrzeugen hatten die Feuerwehren eine eindeutige Präferenz: Straßenantrieb mit langem Radstand. Nur vereinzelt verließen bis 1955 Allrad-LF die Werkhallen, weshalb wir in unserer Galerie bisher auch noch kein Exemplar zeigen können.

Allen Metz-Aufbauten dieser Zeit gemeinsam war weiterhin die Konstruktion als blechbeplankte Holzkonstruktion. Sichtbarstes Unterscheidungsmerkmal zu den Fahrzeugen der Vorjahre waren jetzt die silbernen Zierrahmen um die nach wie vor geteilten Frontscheiben. Bei Löschgruppenfahrzeugen mit Straßenantrieb behielt Metz auch – trotz der bekannten Verwindungsprobleme - die bauliche Einheit von Mannschaftskabine und Aufbau bei.


LF 15, Mercedes-Benz LF 3500/42, Metz, Baujahr 1953, Tankinhalt 400 Liter, FF Baienfurt, von 1972 bis 2002 bei der WF Stora Enso in Baienfurt, seitdem Museumsfahrzeug.

Gelegentlich beschafften die Wehren auch LF 15-TS, so auch die FF Bockhorn im Landkreis Friesland. Als es 1978 durch ein LF 8s ersetzt wurde, rüstete die Feuerwehr in 400 Arbeitsstunden das Löschgruppenfahrzeug zum Gerätewagen um. Anstelle der Vorbaupumpe wurde eine Seilwinde montiert. Zusätzlich wurde ein 25 kVA-Generator eingebaut, um Lichtmast und Rettungssatz betreiben zu können. Bereits 1975 waren die Trittbrettkästen so stark geschädigt gewesen, dass sie durch offene Trittbretter ersetzt wurden. Rund 20 Jahre stand der als „Rüstwagen 1“ bezeichnete Umbau danach noch im Dienst.


GW, ehemaliges LF 15-TS, Mercedes-Benz LF 3500/42, Metz / Eigenumbau, Baujahr 1955, FF Bockhorn

Mit kurzem Radstand sind aus den Jahren 1952 bis 1955 lediglich so genannte LF 8 „schwer“ bekannt. Diese Fahrzeuge waren – verglichen mit ihrem Verwendungszweck – sehr teuer. Ein LF 8 ließ sich auch auf den wesentlich preiswerteren Fahrgestellen von Borgward, Ford, Hanomag oder Opel realisieren. Der Vorteil des Mercedes-Benz LF 3500 war aber auf jeden Fall seine höhere Nutzlast, es war also möglich, zusätzliche Geräte mitzuführen. Viele LF 8 dieser Zeit führten sonst noch standardmäßig einen TSA mit, weil ihre Tonnage für die Gerätemenge nicht ausreichte. Das war hier nicht nötig.

Vielleicht spielte aber auch die Eitelkeit der Feuerwehrführung oder des Gemeinderates bei dieser Beschaffung eine Rolle. Es sollte eben unbedingt ein Produkt der Daimler-Benz AG sein, welches in das Gerätehaus einziehen durfte. Der deutlich kleinere Mercedes-Benz L 319 wurde erst im September 1955 auf der IAA vorgestellt, und schlagartig gingen die Auslieferungszahlen für LF 8 auf dem schweren Fahrgestell gegen Null.


LF 8 schwer, Mercedes-Benz LF 3500/36, Metz, Baujahr 1955, FF Heidenheim, Abt. Schnaitheim, 1974 an WF Zoeppritz in Bolheim, danach im Besitz der Steinwerke Kraft in Schnaitheim, dort 2003 restauriert.


LF 8 schwer, Mercedes-Benz LF 3500/36, Metz, Baujahr 1955, FF Kuppenheim, inzwischen Traditionsfahrzeug. Die relativ modern wirkenden Trittbretter waren ab 1954 häufiger anzutreffen, allerdings nur sehr selten bei LF 8s.

Nach wie vor verkauften sich Tanklöschfahrzeuge besser als Löschgruppenfahrzeuge, und wieder waren es Straßenfahrgestelle, die zunächst fast ausschließlich verwendet wurden.


TLF 15, Mercedes-Benz LF 3500/42, Metz, Baujahr 1953, FF Ebersbach / Fils, Museumsfahrzeug.


TLF 15, Mercedes-Benz LF 3500/42, Metz, Baujahr 1954, geliefert an die FF Contwig, 1981 bis 2004 dort Museumsfahrzeug, heute etwas verunstaltet im Besitz eines Oldtimersammlers in Mühlhofen. Sehr schön ist die auf dem Kotflügel montierte Sirene, das zum Fotozeitpunkt hoch gestellte gelbe Dreieck auf dem Dach entspricht allerdings nicht den Tatsachen – es wird kein Anhänger mitgeführt.


TLF 15, Mercedes-Benz LF 3500/42, Metz, Baujahr 1955, geliefert an die BF Stuttgart. Es ist das jüngste von fünf gleichartigen Fahrzeugen, die ab 1953 in Stuttgart in den Dienst genommen wurden. Eine Besonderheit war der in den 2400 l fassenden Wassertank eingebaute Schaumtank mit 160 l Inhalt, aus dem direkt zugemischt werden konnte. Dazu kam die kombinierte Hochdruck-/ Niederdruckpumpe, sie leistete 1500 l/min bei 8 bar sowie 250 l/min bei 32 bar. Auffällig sind auch die völlig andere Gestaltung des Bereiches über der Frontscheibe und die fehlende Verchromung der Frontscheibeneinfassungen. Der Aufbau ist etwas höher als bei den zuvor gezeigten Fahrzeugen. Später kam das Tanklöschfahrzeug zur Abt. Zazenhausen, seit 1982 wird es als Museumsfahrzeug erhalten.

Man hätte annehmen sollen, dass gerade bei Allrad-TLF eher die kürzere Version gewählt worden wäre. Tatsächlich dominierten auch hier anfangs die 4.200er Radstände, die erheblich leichter zum Aufsetzen neigen als diejenigen mit 60 cm weniger Achsabstand. Das galt nicht nur für Metz, sondern auch für die anderen Aufbauhersteller, über die noch zu berichten sein wird. Allerdings trennte Metz bei allen Tanklöschfahrzeugen die Kabine vom Aufbau, um Schäden durch Verwindungen vorzubeugen.


TLF 15, Mercedes-Benz LAF 3500/42, Metz, Baujahr 1953, FF Roding. Eine Besonderheit bei einigen Tanklöschfahrzeugen dieser Zeit waren die seitlich aus den Trittbrettkästen herausschauenden A-Sauganschlüsse. Man erhoffte sich von dieser Konstruktion Vorteile im Einsatz.


TLF 15, Mercedes-Benz LAF 3500/42, Metz, Baujahr 1954, FF Schwäbisch Gmünd.


TLF 15, Mercedes-Benz LAF 3500/42, Metz, Baujahr 1954. Das Tanklöschfahrzeug stammt aus einer Serie für die französischen Streitkräfte in Deutschland (FFA). Nach seiner Aussonderung dort wurde es an die WF Groz Beckert in Albstadt-Ebingen verkauft, danach zur FF Frohnstetten. Ob das Gitter vor dem Kühler und der hochgezogene vordere Sauganschluss typisch für diese Serie waren, ließ sich mangels Vergleichsbildern nicht feststellen.

Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass die TLF 15 auf dem kurzen Radstand hier komplett fehlen. Um diesen Artikel nicht zu sprengen, wird ihre Darstellung – auch wegen einiger technischer Besonderheiten – auf eine spätere Folge verschoben.

(wird fortgesetzt)

 

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Teil 5 dieser Serie:
Von einem aufmerksamen User kamen Hinweise zum ehem. LF-TS 8 der FF Müden (Örtze), die daraufhin noch mit weiteren Daten ergänzt werden konnten. Die entsprechende Textpassage im Artikel wurde deshalb korrigiert – ein großer Vorteil von Online-Dokumentationen, bei einem Druckerzeugnis wäre das nicht mehr möglich gewesen.

Text: Klausmartin Friedrich

Bilder: Thomas Dotzler, Klausmartin Friedrich, Frank-Hartmut Jäger, Karl Müller, Michael Mund, Sven Russel,

Literatur (u.a.):
Daimler-Benz AG (Hrsg.): Brandschutz mit Stern: Die Geschichte der Mercedes-Benz Feuerwehrfahrzeuge und ihrer Vorgänger (1888-2002); Stuttgart, 2007.

Daimler-Benz AG (Hrsg.): Geburt einer Legende: Die 1949 vorgestellte Motorenbaureihe 300 ist ein großer Wurf; Stuttgart, 2009.

Daimler-Benz AG (Hrsg.): Transport mit Traktion: Allradgetriebene Lkw seit 1945; Stuttgart, 2011.

Fischer, Klaus: Löschgruppenfahrzeuge LF 16; Berlin, 2005.


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